Created by Sigrid Hauer, last modified by Marcus Raitner on 16. Aug 2012
Geschichten über das Thema Projektplanung -– wie kann man es anders machen – was funktioniert – was für Schwierigkeiten hat man so als Projektplaner
Die Planungs-Party
Heute kommt die Klassenlehrerin meines Sohnes zu uns - zum Essen, das hat sich auf einer der Klassenfeiern ergeben. "Ich erwarte mindestens ein Drei-Gänge-Menü", - sagte sie scherzhaft zum Abschied. Ich wollte schon am Wochenende in den Kochbüchern stöbern, um etwas Spannendes zusammen zu stellen. Doch weder am Wochenende noch gestern kam ich dazu, und nun sind es noch zwei Stunden bis sie an der Tür steht, und ich muss noch durch den Elbtunnel, einkaufen und kochen. Denk nach, denk nach... Es ist angenehm dunkel im Elbtunnel und wie immer etwas Stau. Ich erinnere mich, dass wir eine reife Melone zuhause haben - Serrano-Schinken landet auf der Einkaufsliste. Dann passt eine Minestrone als Vorspeise dazu. Zwei Kinder, zwei Erwachsene und eine Lehrerin... was könnte man uns als Hauptspeise machen? Ich stelle fest, dass ich keine Idee habe und beschließe, dass es Fischstäbchen mit Kartoffelpüree werden, wenn mir nichts anderes einfällt.
Beim Wandern durch den Supermarkt bleibe ich beim Obststand stehen. Dort werden verschiedene Steinobst-Sorten vorgestellt. Gelbe Grütze zum Nachtisch, das ist nun gebongt. Noch eine Sunde... Ich möchte keine Fischstäbchen! Und dann sehe ich die Rettung - Kokosmilch! Es wird grünes Thai-Curry geben, wenig scharf wegen der Kinder.
Zuhause angekommen und Einkäufe auf den Tisch gekippt. Dreißig Minuten. Es darf nichts schief gehen. Während ich schon am Gurken- und Zucchini schneiden bin, fällt mir ein, dass die Grütze ja noch abkühlen muss. Grünes Gemüse zur Seite, gelbes Obst nach vorn. Schneiden, einkochen, kühl stellen. Teilprojekt Nachtisch abgeschlossen. Gemüse für die Minestrone nicht mit den Gurken für Salat vermischen! Schinken-Melone und Salat auf den Tisch, Brot geschnitten - Teilprojekt Vorspeise abgeschlossen. Noch zweimal in der Minestrone rühren, Gewürze rein, Deckel zu - Teilprojekt Suppe abgeschlossen. Noch zehn Minuten. Reis aufstellen, Hähnchenfleisch schneiden, Curry aufstellen, Tisch decken lassen (Kinder-Teilprojekt). Es klingelt.
Als ich paar Stunden später in der aufgeräumten Küche stehe, weiß ich:
- ich hätte mich im Voraus besser vorbereiten sollen, dann wäre ich nicht so unter Stress
- auch wenn ein Nachtisch zum Schluss gegessen wird, muss er manchmal als erstes gemacht werden
- ich hätte das Schneiden delegieren können, auch das Rühren
Übertragen auf mein laufendes Projekt, habe ich sofort beschlossen, mich nächste Woche mit dem Kernteam zu einer Planungs-Party einzuschließen und solange im Raum eingeschlossen zu bleiben, bis wir die Reihenfolge der bis Weihnachten abzuschließenden Teilprojekte zu planen.
Die magische Projektvermehrung
Es war einmal: Ein Projekt X mit großem politischen Überbau - und es war ein junger Projektleiter mit viel Begeisterung und (zu)viel Respekt vor großen Tieren. Eines Tages kam der Chef des Projektleiters ins Büro und rief aufgeregt: "Ich brauche morgen einen Projektbericht auf Folie, ich habe eine Präsentation bei meinem Chef". "Kein Problem, das kann ich gleich machen, sie haben die Präsentation bis heute Nachmittag" antwortet der beflissene Projektleiter. Gesagt - getan. Die Folien wurden abgeliefert, der Vortrag gehalten, Chef und Chef-Chef waren zufrieden.
Der Chef-Chef war sogar so zufrieden, dass er eine Präsentationen vor dem Vorstand in Aussicht stellte. Des Projektleiters Herz hüpfte vor Freude, ein wenig mehr Aufmerksamkeit konnte dem Projekt nicht schaden. Wenig später war es dann tatsächlich soweit - ein Termin für eine weitere Präsentation wurde anberaumt. Angesichts der Wichtigkeit des Teilnehmerkreises sollte die Präsentation überarbeitet werden. Sie sollte schöner, spektakulärer und weniger mit Einzelheiten gefüllt werden. Wieder sagt der Projektleiter: "Kein Problem, das wird gemacht!" Es wurde eine beeindruckende Präsentation, das Projekt gewann an Aufmerksamkeit, die Folien wurden weitergereicht, kopiert und an anderen Stellen weiter diskutiert.
In der Zwischenzeit war das Kalenderjahr zu Ende gegangen, das Ritual des Projektberichtes stand an. Für den jungen unerfahrenen Projektleiter war es der erste große Bericht. Ein mühsames Unterfangen ... Zahlen in Excel Dateien übertragen, inhaltliche Zusammenfassungen zu Projektschritten schreiben, eine neue Management-Summary formulieren, weil die alte zu lang für das neue Formular war und vieles mehr. Zu guter Letzt wurde noch eine Präsentation für den Lenkungsausschuss erstellt, die Präsentation sollte den Bericht zusammenfassen auf das die Mitglieder des Lenkungsausschusses auf das Lesen des Berichtes und der Formulare verzichten können. Am Ende stand eine ansehnliche Mappe, die sich auf den Weg zum Lenkungsausschuss und in weitere Steuerungsgremien machte.
Das neue Jahr begann mit der Einführung einer neuen Projektsteuerungssystematik und dem Aufbau eines unternehmensweiten agierenden Projektbüros. Das neu gegründete Projektsteuerungsbüro begann Informationen über alle laufenden Projekte zusammen zu tragen erstellte eine große Projektliste und sprach Empfehlungen zu Weiterführung oder Einstellung von Projekten aus.
Auch das Projekt X wurde untersucht und für wertvoll befunden - es sollte aber modifiziert und mit einem anderen Projekt zusammengelegt werden. Während der Projekt-Recherche war noch ein ähnliches Projekt Y gefunden worden. Aus Projekt X und Projekt Y sollte das Projekt X2 gemacht werden. HURRA! Die bedeutende Schwierigkeit bestand nur darin, dass Projekt X und Y identisch waren. Die kursierenden Berichte und Präsentationen waren mehrfach weiter gegeben worden, das Wissen darum, dass es sich um EIN Projekt handelte war hingegen verloren gegangen.
Es wurde leider nicht überliefert wie der Projektleiter, der den Auftrag für die Konsolidierung der zwei Projekte bekam, die Aufgabe gelöst hat.
Und die Moral von der Geschichte:
- Einfache Projektberichte werden besser verstanden
- Schön gemachte Präsentationen können viel Verdruss bereiten
- Zu viel Aufmerksamkeit für ein Projekt macht das Arbeiten nicht leichter