Inhalt : Projektgeschichten: Teamwork

Erfahrungen zur Teamarbeit im Projekt: Kommunikation - Stimmung - Konflikte, etc...

Ein ganz normaler Tag


6 Uhr 30, Frankfurt am Main, Hotelzimmer. Ein ganz normaler Tag, nach monatelanger Vorbereitungszeit. Ein Blick in den Spiegel – der schwarze Hosenanzug sitzt, die weiße Bluse - perfekt gebügelt, dezentes Make- Up… noch etwas farblosen Lippgloss – mehr erlaubt ER nicht.
6 Uhr 45, Konferenzbereich. Jeder ist mit eigenen Aufgaben beschäftigt. Toni checkt die Technik und die Mikrofonanlage: „eins…, zwei…, drei….“ . Gabi bespricht mit dem Personal die Sonderwünsche unserer Gäste: entkoffeinierten Kaffee für die hochschwangere Prof. Dr. K., Sojamilch für Dr. Z., Obstsalat ohne Bananen – wegen der Allergie für Prof. T.
Julia kümmert sich um die frischen Blumen und Getränke für das Rednerpult. Karin wechselt noch schnell die Sitzordnung der ersten Reihe – Prof. Dr. K. verträgt sich mit Prof. T. nicht – die waren mal zusammen, das weiß aber „keiner“. Dani richtet noch die Krawatten von Mark und Tom – die holen die Key Speakers vom Flughafen ab. Die Abholschilder sind auch fertig: nein…keine Papierschilder – wir sind ja modern – sagt ER immer, wir bereiteten also die iPads: Calibri 48, zentriert, Logo 3x3 cm rechts unten – wegen den CI.
7 Uhr 15, Empfangsbereich. Die Namensschilder und Teilnehmerlisten ordnen, Zettel mit Fotos von Key Speakers an das Team verteilen – jeder soll sich die Gesichter einprägen. Ein Blick ins Back Office – alles in Ordnung.
7 Uhr 55, höchste Zeit… ER kommt gleich. Seine Eröffnungsrede ist auf dem iPad, Calibri 12, Akku voll, daneben eine Tasse Kaffee Crema mit einem Würfelzucker – nicht gerührt!
8 Uhr, ER ist da: schwarze Schuhe, maßgeschneiderte Hose, schneeweißes Hemd und der Armani-Duft, den wir alle mittlerweile hassten! ER nimmt die Tasse, und das iPad und fing an,  seine Rede zu üben – die hat übrigens Bianca geschrieben. Wir wussten - man darf Ihn jetzt nicht stören. ER wird in den Konferenzraum spazieren und laut vorlesen: „Sehr geehrte Damen und Herren, ich freue mich sehr, Sie heute hier begrüßen zu dürfen. (…) ICH habe alles getan, damit Sie sich hier voll fühlen…bla…, bla…“. Ok, alles lauft nach Plan - wir können uns zurück ziehen. Im Konferenzraum blieben nur ER und ein etwas verschlafener Mitarbeiter mit einem großen Wagen voll von Getränken.
8 Uhr 40. Die ersten Gäste checken ein, Key Speakers sind auch da… Ein Krach im Konferenzraum, ER schreit…wir laufen los!
8 Uhr 41, Konferenzraum. ER steht da, sein schneeweißes Hemd ist voller Kaffee, sein iPad zerbricht am Boden zusammen mit einigen kaputten Getränkeflaschen, seine maßgeschneiderte Hose hat ein Loch, wir sehen Blut… Jetzt muss alles schnell gehen! Bianca holt den Erste- Hilfe- Kasten, Julia besorgt Nähzeug, Toni tauscht mit IHM sein Hemd – sie tragen die gleiche Größe, Dani besorgt ein anderes iPad, Gabi holt einen USB-Stick mit der Sicherheitskopie SEINER Rede…
9 Uhr, Konferenzraum. „Sehr geehrte Damen und Herren, ich freue mich sehr, Sie heute hier begrüßen zu dürfen. (…) ICH habe alles getan, damit Sie sich hier voll fühlen…bla…, bla…“
19 Uhr 30, Back Office. Die Konferenz ist zu Ende, die Gäste sind abgereist. Wir packen alles zusammen. ER kommt rein und verabschiedet sich mit den Wörtern: „Bis Montag…“. Die Anspannung lässt nach.
19 Uhr 40,  Bianca holt Sekt und Gläser. Wir stoßen an – ein ganz normaler Tag nach monatelanger Vorbereitungszeit.
19 Uhr 50, Back Office. ER kommt wieder rein – die Stille ist erdrückend, keiner bewegt sich, die Gläser kleben in den Händen. ER sagt ganz leise: „Ich wollte mich bei Euch bedanken…und entschuldigen…“.   
20 Uhr 05, Parkplatz. Wir packen alles in die Autos, ER hilft zum ersten Mal mit…Teamwork…Ein ganz normaler Tag?
Quelle: Jolanta Czagin (auf Twitter: @wowolek)

Was den Projektleiter aus den Latschen haute


Wie jeden Morgen leicht verspätet hetzte ich die Treppen zum Büro hinauf, die Restpfütze Milchkaffee in meiner schwankenden Kaffeetasse näherte sich dabei bedrohlich dem Tassenrand.
Seit drei Minuten fand unser morgendliches Krisenmeeting zum Projekt „Mailumstellung“ statt. Das Projekt ging einfach nicht voran, obwohl wir uns teamübergreifend intensiv damit auseinandersetzten. Hatten wir ein Problem gelöst und wollten eine Teilumsetzung durchführen, tauchte hierbei das nächste Problem auf, dazu technischer, also sehr komplexer Art. Mit Hochdruck absolvierten wir ein Meeting nach dem nächsten, um zu klären, welcher externe Dienstleister welches Detail erledigen müßte und welche Lösungsansätze getestet werden sollten, um weiterzukommen.
Die Stimmung wurde von Meeting zu Meeting aggressiver und ebenso unproduktiver, alle Beteiligten wirkten gehetzt und frustriert.
Jedenfalls sprintete ich die Treppen hinauf bis zum Konferenzraum, die Tür war bereits geschlossen. Ich blickte nach rechts und links, doch da war nichts. Ich blickte hinter mich, da war niemand. Ich sah nach oben, doch es ging nur vier Stockwerke aufwärts, ohne, dass jemand zu sehen gewesen wäre. Vor dem Konferenzraum einige Paare Schuhe, aber von den Schuhträgern war weit und breit nichts zu sehen. „Was hat denn die Projektmitglieder alle aus den Latschen gekippt?“ Das war mein erster Gedanke. Zögernd öffnete ich die Tür: Der Konferenztisch war an die Wand gerückt worden, in der Mitte des Raumes standen allen Ernstes fünf Herren auf einem Bein, hatten das andere an die Beininnenseite angelegt, schauten tiefernst in die Runde und sagten – nichts.
Schließlich sprach der Projektleiter: „Wir stehen gerade im „Baum“, möchten Sie mitmachen? Er beruhigt und zentriert. Wir werden diese Übung jetzt vor jedem Meeting fünf Minuten praktizieren, um dann in ruhiger Stimmung unsere Planungen voranzutreiben. Mein erster Impuls war: Jetzt wollen sie mich veräppeln…Aber da niemand Anstalten machte, seine Haltung aufzugeben, zog ich etwas verwirrt meine Schuhe aus, gesellte mich dazu und stand einige Minuten auf einem Bein im Kreise meiner Kollegen.
Anschließend wurde der Tisch wieder in die Mitte geschoben, wir begannen wie jeden Morgen mit der Sitzung. Und ob Sie es glauben oder nicht: Das Projekt wurde nicht weniger kompliziert - aber effizienter, konstruktiver und entspannter umgesetzt.
Quelle: Sabine H.