Das 4 Seiten Modell der Kommunikation ist dank der gut verständlichen Bücher des Psychologen Friedemann Schulz von Thun inzwischen weitgehend bekannt. Weniger bekannt ist, dass er die 4 Seiten des Modells selbst auf 5 Seiten erweitert hat. Damit wird das Ganze nicht komplizierter sondern noch etwas klarer. Ich möchte dennoch zur Einführung ein prominentes Beispiel für die 4 Seiten einer Botschaft erklären um die 5. Seite dann an einem konkreten Beispiel aus einer Projektsituation zu verdeutlichen.
Beispiel 1: Ein Ehepaar sitzt am Tisch beim Essen.
Er sagt „Da ist etwas Grünes in der Suppe“, sie antwortet „Wenn es Dir nicht schmeckt, kannst Du wo anders essen.“ Um diesen Wortwechsel zu verstehen lohnt ein genauer Blick auf die möglichen Inhalte einer Botschaft. Jede Botschaft enthält 4 Aspekte. Eine Sachinformation, einen Appell an den Empfänger der Botschaft, einen Bezug auf die Beziehung zwischen Empfänger und Sender sowie ein Stück Selbstoffenbarung. Der verhängnisvolle Satz „Da ist etwas Grünes in der Suppe.“ sieht in der vollständigen Darstellung der Botschaft eventuell so aus:
Ob dieser Satz wirklich so „neutral“ gemeint war sei dahingestellt. Es handelt sich schließlich um ein Beispiel. Auf der Empfängerseite kann der gleiche Wortlaut völlig anders entschlüsselt werden. Und wieder wird nach den 4 Aspekten getrennt aufgeschlüsselt:
Die Reaktion der Frau „Wenn es Dir nicht schmeckt, …“ passt zu der gezeigten Aufschlüsselung. In diesem sehr plakativen Beispiel ist das Verhältnis zwischen Sach- und Beziehungsebene auf Sender- bzw. Empfängerseite sehr unterschiedlich, dementsprechend heftig ist das Missverständnis bzw. die Fehlinterpretation der Botschaft. Nun ließe sich argumentieren, dass solche groben Fehlinterpretationen in der geschäftlichen Projektkommunikation nicht relevant sind. Das ist zum Teil richtig, diese groben Fehlinterpretationen sind allerdings nicht wirklich gefährlich. Diese lassen sich relativ schnell als Missverständnis entlarven. Viel gefährlicher sind die Botschaften die nur teilweise missverstanden wurden, in diesen Fällen verblieben beide Seiten in der irrigen Annahme, dass sie sich verstanden hätten. Der Mann aus dem Beispiel hat mit Sicherheit nicht das Gefühl, dass er verstanden wurde und wird das Missverständnis aufklären wollen und können. Wenn beide Seiten annehmen sich verstanden zu haben, wird das Missverständnis unentdeckt bleiben und kann im Laufe der Zeit weitere Missverständnisse nach sich ziehen.
Es bleibt festzuhalten, dass jede Botschaft auf Sender und Empfängerseite durch einen mehrfachen Filter läuft. Den Seiten der Botschaft entsprechen quasi verschiedenen Tönen in einem musikalischen Mehrklang. Die Betonung der verschiedenen Aspekte einer Botschaft ist individuell unterschiedlich. Sehr „sachliche Menschen“ haben in ihren Botschaften einen hohen Anteil an Sachinformation. Emotionale Menschen haben ggf. einen höheren Selbstoffenbarungsanteil. Obwohl zwei Menschen das gleiche sagen kann ihre Botschaft demnach etwas anderes bedeuten. Hinzu kommt noch, dass die Gewichtung der 4 Seiten einer Botschaft von der sozialen Situation der Kommunizierenden abhängt. Die soziale Situation lässt sich besser verstehen wenn der Beziehungsaspekt der Botschaft in zwei Teile (das Ich und das Wir) aufgespalten wird.
Wie der "Wir" oder der "Ich"-Aspekt betont wird hängt zum Beispiel stark von der hierarchischen Beziehung der Kommunizierenden ab. In einem selbstorganisierten Team ist der "Wir" Aspekt stärker wie in einer strikten "Kommandoketten-Hierarchie". Im Team wird eher ein Konsens gesucht, die Beziehungsebene schwingt stärker mit wohingegen in einer strengen Hierarchie Appell- und Sach-Aspekte überwiegen. Reine Sachbotschaften gibt es leider nicht, die anderen Aspekte schwingen immer ein wenig mit. Eine Beziehungsbotschaft unterscheidet sich von einem sachlichen Appell also in der Gewichtung der Teilklänge.
Beispiel 2: Hilfe im Projekt
Die Ausgangssituation ist folgende. Zwei Personen, die zusammenarbeiten müssen, sollen, wollen. Die eine kommt mit einer Aufgabe nicht richtig voran und bittet den Kollegen oder die Kollegin um Hilfe. Die Bitte um Hilfe beginnt nicht mit einem ausführlichen Monolog sondern mit einer einfachen Frage: “Hast Du etwas Zeit?” All die Gedanken, die den Sprecher bewegen, sammeln sich in dieser kurzen Frage. In dieser kurzen Frage können je nach Tonlage oder Situation folgende Varianten mitschwingen.
- Hast Du etwas Zeit (für mich)?
- Hast Du (etwas) Zeit?
- Hast Du Zeit (übrig)?
Übersetzt in die 5 Aspekte der Botschaft könnte die simple Frage so aussehen.
Je nach dem welches gedachte Wörtchen unterstellt oder “überhört” wird verschiebt sich die Bedeutung der Frage ein wenig. Die Frage hat gewissermaßen einen Interpretationsspielraum eingebaut. Der Spielraum wird noch größer wenn wir uns weitere unausgesprochene Variationen ansehen. Das Bild zeigt mögliche Inhalte der Äußerung. Gerade die Aspekte gemeinsamen Erfolgs oder der Wunsch zur Zusammenarbeit schwingen unter der Oberfläche mit und werden nicht nur im Bespiel sondern auch im realen Gespräch selten ausgesprochen. Im Bild sind mögliche Interpretationen gleichberechtigt dargestellt. Das bedeutet allerdings nicht, dass sie gleich laut gehört werden. Je nach Stimmungslage, Situation und persönlicher Befindlichkeit kann der Empfänger die verschiedenen Facetten unterschiedlich deutlich hören. Wenn der Empfänger gerade keine Zeit hat kann es leicht passieren, dass er die Appellseite “Nimm Dir Zeit!” unangemessen deutlich hört und die implizite Bitte um Hilfe überhört. Demensprechend harsch wird vielleicht seine Antwort ausfallen. Wenn die harsche Antwort nicht zu den Erwartungen des ersten Sprechers passt, gibt kann sehr schnell ein Wort das andere geben und eine Auseinandersetzung beginnen lassen.
Lassen sich solche Kommunikations-Unschärfen vermeiden? Nein, das gehört zur menschlichen Kommunikation dazu sich nicht immer sofort und richtig zu verstehen. Soll man es zähneknirschend akzeptieren, dass es aufgrund dieses Interpretationsspielraumes (beim Reden und beim Hören) immer wieder zu Kommunikationspannen kommt? Wieder lautet die Antwort: “Nein”. Mit etwas Übung lässt sich viel erreichen. Es lohnt sich gelegentlich eigene Äußerungen in Gedanken zu variieren. Wie ändert sich die Bedeutung beim Weglassen oder Hinzufügen einzelner Wortes, wie könnte es je nach Wortwahl vom Gegenüber verstanden werden. Es lohnt sich auch die Frage zu stellen “Wie könnte mein Gegenüber meine Äußerung verstanden haben?”.
Literatur
Friedemann Schulz von Thun “Miteinander Reden: Fragen und Antworten”, Rowohlt Taschenbuch Verlag, ISBN 978-3-499-61963-2
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