Felix Rüssel und ich sind im Vorfeld des PM Camps zu der Entscheidung gelangt, eine gemeinsame Session anzubieten. Das Thema war schnell gefunden, Scheinselbständigkeit. Haben wir beide mit den neuen schwierigen Akquisesituationen gerade bei Großkunden schon Bekanntschaft gemacht. Wir wollten nun wissen, ob es anderen selbständigen KollegInnen im PM-Umfeld ähnlich ergeht und wie wir damit umgehen können.

Der Teilnehmerkreis war überraschend groß und schnell kam die Runde ins Gespräch.

Um die Sessiondokumentation textlich schlank zu halten, binde ich vorwiegend weiterführende und/oder erklärende Links ein.

Hintergrund:Wikipedia zu ScheinselbständigkeitScheinselbständigkeit liegt vor, wenn eine erwerbstätige Person als selbständiger Unternehmer auftritt, obwohl sie von der Art ihrer Tätigkeit her Arbeitnehmer ist. Es wird ein Arbeitsverhältnis verschleiert und als Tätigkeit selbständiger Auftragnehmer deklariert, um die Abgaben, Restriktionen und Formalien zu vermeiden, die das Arbeitsrecht, Sozialversicherungsrecht und Steuerrecht mit sich bringen. Relevant ist dies insbesondere bei freien Mitarbeitern und Subunternehmern. Mit einer Scheinselbständigkeit geht einher, dass sozialversicherungsrechtliche und steuerliche Pflichten nicht erfüllt werden.
Dies stellt nach § 1 Abs. 2 SchwarzArbG Schwarzarbeit dar.
 

 Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz - SchwarzArbG) 

 
 ausführende Informationen der IHK Frankfurt 
 

Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Bundeszollverwaltung

 
 Deutsche Rentenversicherung 
Kriterien:für Selbständigkeit:Bei der Beurteilung des Status wird auf die Gesamtsituation des Einzelfalles abgestellt.

Im Vordergrund dieser Betrachtung steht als Merkmal für eine selbstständige Tätigkeit der Grad der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit und inwiefern ein unternehmerisches Risiko getragen, unternehmerische Chancen wahrgenommen und hierfür beispielsweise Eigenwerbung betrieben wird.

Typische Merkmale unternehmerischen Handelns sind die Erbringung von Leistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Ferner die eigenständige Entscheidung über
  • Einkaufs- und Verkaufspreise, Warenbezug
  • Personelle Fragen (Einstellung, Entlassung)
  • Einsatz von Kapital und eigener Arbeitsgeräte
  • Entscheidung über Einkaufs- und Verkaufskonditionen
  • eigene Kundenakquisition
  • Werbemaßnahmen und Auftreten als Selbstständiger in der Geschäftswelt (Eigene Briefköpfe, Zeitungsannoncen)
 für Scheinselbständigkeit:Entscheidend für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist, ob sich eine persönliche Abhängigkeit von einem Arbeitgeber feststellen lässt.
Der beschriebene Vermutungskatalog ist zwar mit Neufassung des Gesetzes entfallen, damit aber im Rahmen der Beurteilung der Scheinselbstständigkeit nicht bedeutungslos geworden. Bei der Beurteilung der Gesamtsituation spielen Gesichtspunkte wie
  • keine regelmäßig Beschäftigten
    450,- € Beschäftigtenverhältnisse werden nicht anerkannt. Familienangehörige werden gegenüber der früheren Regelung anerkannt.
  • Tätigkeit auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber
    Bei der Auslegung des Begriffs „im Wesentlichen“ gehen die Sozialversicherungsträger von einem Anteil von fünf Sechsteln des Umsatzes mit einem Auftraggeber aus. Es genügt nicht, vertraglich die Zulässigkeit weiterer Auftragsverhältnisse festzustellen, sondern die Auftraggeber müssen tatsächlich nachgewiesen werden.
  • Auftraggeber hat Beschäftigte, die dieselben Tätigkeiten verrichten wie der Selbstständige
  • Weisungsgebundenheit und Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers - kein unternehmerisches Handeln
    Anhaltspunkte für eine Scheinselbstständigkeit sind folgende Merkmale: das Unternehmen besitzt kein eigenes Firmenschild, keine eigenen Geschäftsräume, kein eigenes Briefpapier oder Visitenkarten. Der Unternehmer tritt in der Arbeitskleidung des Auftraggebers auf.
  • Selbstständiger hat Tätigkeit beim Auftraggeber zuvor als dessen Arbeitnehmer verrichtet

weiterhin eine Rolle.

Hinweis:
Der Umstand, dass ein Unternehmer auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig ist, führt nicht automatisch zur Annahme einer abhängigen Beschäftigung, sondern stellt lediglich ein Indiz für das Vorliegen einer Scheinselbstständigkeit dar. Maßgeblich ist die Gesamtsituation. Selbstständige mit nur einem Auftraggeber können aber rentenversicherungspflichtig sein (siehe B. Arbeitnehmerähnliche Selbstständige).

   
Erfahrungen:

Externe wurden wegen Scheinselbständigkeit abgebaut (Telekom von 30% auf 5%)

Freiberufler/Selbständige werden zu den bekannten (Projekt)Vermittlern gedrängt, da Firmen keine direkten Verträge abschließen wollen.

Selbstständige Trainer werden in der Regel als scheinselbständig eingestuft.

CW vom 23.01.2013  "Freiberufler brauchen mehr Rechtssicherheit"

Heise online 07.01.2013 "Scheinselbstständigkeit und die Folgen"

   
Maßnahmen: Erste Vermittler bieten vermehrt Projektaufträge im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung an. Damit verliert man aber seinen selbständigen Status.
  Beratung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht. Hier eine Liste von GULP empfohlener Anwälte.
 Sich organisieren (halte ich persönlich für am sinnvollsten).

Im VGSD Verband der Selbständigen und Gründer. Mitglieder-Stand Mitte Juni 2014: Ordentliche Vereinsmitglieder: 417 Community Mitglieder: 1792

Die wichtigsten Fragen zum Verband. Die Community Mitgliedschaft ist Kostenlos. Der kleinste Mitgliederbeitrag beträgt 5,-- € pro Monat.

Es gibt regelmäßig Experten-Telcos, auch zum Thema “Damoklesschwert Scheinselbständigkeit”:
Am 05.06.2014 gab RA Benno Grunewald unter anderem zu diesen Fragen Auskunft:

  • Aus Ihrer Praxis: Was kann Auftraggebern alles passieren, wenn freie Mitarbeiter sich als scheinselbständig herausstellen?
  • Drohen auch freien Mitarbeitern Nachteile, wenn sie plötzlich als arbeitnehmerähnliche Selbständige gelten? Kommt das häufig vor?
  • Was kann man tun, um eine Scheinselbständigkeit auszuschließen? Gibt es z.B. bestimmte Vertragsformulierungen oder organisatorische Regelungen, die Sie empfehlen?
  • Gibt es (z.B. aus höherinstanzlichen Urteilen) irgendwelche (Faust-)Regeln oder branchenspezifische Besonderheiten, die weiterhelfen?
  • Wie sind die Erfolgschancen beim Statusfeststellungsverfahren, bei gerichtlichen Auseinandersetzungen usw.? Wie haben sie sich in den letzten Jahren entwickelt?
  • Angenommen Sie wären Justizminister: Was würden Sie konkret ändern, um in diesem Bereich mehr Rechtssicherheit für Selbständige zu erreichen?

Leider kann ich den Original-Podcast hier nicht einstellen, werde ihn mir aber nochmals anhören und die wesentlichen Punkte extrahieren, am einfachsten ist es natürlich selbst Mitglied zu werden (dann kann man die Podcasts nachhören, als Community-Mitglied kann man nur kostenlos live an den Telcos teilnehmen).
Es gibt regelmäßige Regionaltreffen.

  

 Auf europäischer Ebene gibt es die EFIP European Forum of Independent Professionals. Ihr Ziele.

Im Moment gibt eine Kampagne, das "EFIP Manifesto".
Mit den Aussagen:

  • Erkennt Freelancer an!
  • Gebt uns Zugang!
  • Zählt uns!
  • Gebt uns eine Stimme!
  • Behandelt uns fair!

Hier kann man unterzeichnen.

 Über dieses Modell, möchte ich zu gerne andere Meinungen hören.

 Eine andere Option bietet 4freelance.

Update: Freelancer Genossenschaft
Bei der ersten Vorstellung der Idee der Recruiting-Agentur als Genossenschaft habe ich angekündigt, dass ich die Idee weiter verfolgen werde, wenn sich mindestens 100 Interessenten über das Formular anmelden. Tatsächlich waren es bis jetzt über 250 Interessenten. Ich möchte auch auf das Feedback, das ich bekommen habe, genauer eingehen. Außerdem werde ich die jeweiligen Rollen noch genauer beschreiben, da es hier auch unterschiedliche Auffassungen gibt.

Hier weiterlesen.