Earned Value (EV)

Einer der Verständnisprobleme der Earned Value Analysis (EVA) ist die Frage danach, was der Earned Value (zu Deutsch: Der verdiente/erreichte Wert) denn nun sei.  Dies kann man einfach sagen: Der Wert ist das, was es mir wert ist!

Nehmen wir einfach mal drei unterschiedliche Beispiele, die normalerweise alle in einem Projekt vorkommen:

1. Eine Lizenz

Im Rahmen einer Software Entwicklung muss eine Lizenz für einen Datenbank-Server gekauft werden. Diese steht in der Planung mit € 100.000,- mit dem Listenpreis ohne Installationskosten als eigenständiges Arbeitspaket. Und so ist der Plan vom Auftraggeber abgenommen worden.

Ersteht nun das Projekt diese Lizenz zu diesem Preis, so ist der Earned Value € 100.000,- , die AC (Actual costs) auch € 100.000,-. Ich habe also den Wert, der den Kosten entspricht.

Stellt sich aber heraus, dass die Firma allerdings einen Rahmenvertrag mit dem Lizenzgeber der einen Nachlass von 25% gewährt, ist der Earned Value immer noch € 100.000,- denn soviel war dem Auftraggeber die Lizenz wert. Bezahlt hat das Projekt aber nur € 75.000,-

2. Abnahme Test

Für den Test zur Abnahme stehen im Plan mehrere Arbeitspakete, die vereinfacht folgendes wiedergeben: Der Test wird über 3 Wochen laufen, es werden 5 Tester eingesetzt sowie 3 Entwickler zur Fehlerbehebung und ein Testmanager. Alle haben (zum einfacheren Verständnis) einen Tagessatz von € 500,-. Das macht also

(5+3+1)*15*500€            = € 67.500

Soviel ist nach Abnahme des Plans dem Auftraggeber die Durchführung des Tests wert. Oder anders ausgedrückt: Mit erfolgreichem Abschluss des Tests hat er genau diesen Wert erhalten, das Projekt hat ihm diesen Wert erstellt und geliefert.

Nun stellt sich allerdings während des Tests heraus, dass das Produkt kaum Fehler aufweist, die Abnahme erfolgt nach 10 Arbeitstagen.

AC = 45.000,-

EV = 67.500,-

An dem Wert des Tests, wenn er sein Ziel erreicht hat ändert dies nichts. Wohl aber an den Kosten, die entstanden sind. Auch ohne große Mathematik kann ich sehen, dass das Projekt im Test vor dem Plan liegt.

3. Regelmäßige Projekt-Meetings

Der Auftraggeber ist ein „Teamplayer“. Deswegen erklärt er bei der Projekt Initialisierung, dass er es wünscht einmal die Woche zum Projekt-Team 30 Minuten sprechen zu können und deren Meinung zu erfahren. Ebenso möchte er, dass sich täglich in der Frühe das Team 15 Minuten zusammenstellt und Probleme und die Aufgaben des Tages bespricht. Der Projekt Manager nimmt dies als Auftrag und Anforderung mit und plant es wie folgt ein:

    • Das Projekt hat eine Laufzeit von 18 Monaten,  also ca. 450 Arbeitstagen.
    • Das Team ist schwankend (Urlaub, Projekt-Fluktuation, Krankheit etc.) im Durchschnitt 20 Personen stark.

Daraus bildet der PM in der WBS zwei Arbeitspakete (AP)

    • Für das Wochenmeeting mit dem Sponsor
      90 Meetings * 0,5h * 20 Mitarbeiter * € 500                               =  € 56.250,-
    • Für das tägliche Meeting
      450 Meetings * 0,25h * 20 Mitarbeiter * € 500                          =  € 140.625,-

Bei der Abnahme des Plans kommt es über diese Summen natürlich zu Diskussionen. Da aber der Sponsor auf die Meetings besteht (obwohl er die Summen ablehnt) bleiben sie also so im Plan. Am Ende des Projekts hat der Sponsor also einen Gegenwert von € 196.875,- in Meetings…. Weil es ihm das wert war. Oder anders: Jede seiner Wochenansprachen hat ihn 625,- gekostet

Damit sollte also klar geworden sein, dass sich der Earned Value nicht auf „reale Werte“ im Produkt bezieht, sondern vielmehr auf die Werte, die ich bereit bin zu zahlen, um etwas zu erreichen. Man braucht für eine EVA also immer die Vorstellung davon, was mich etwas kosten darf, was es mir wert ist. Das kann in auf das Gesamt-Projekt gelten wie auf ein kleines AP von 2 PT Aufwand.

Dazu ein letztes Beispiel aus dem Leben:

Sie brauchen ein neues Auto. Nach Überblick Ihrer Finanzlage, der Prüfung wofür Sie das Auto benötigen, was Sie davon erwarten (Extras, Komfort, Verbrauch etc.) haben Sie sich für ein Model entschieden, dass die Ansprüche erfüllt und in Ihr Budget passt. Sagen wir also mal, sie sind bereit für den Wagen, der laut Liste € 30.000,- kostet, € 27.000,- zu zahlen. Wir alle rechnen Rabatte ja irgendwie schon mit ein. Ihr EV liegt von diesem Zeitpunkt für genau dieses Auto also bei 27.000,-. Wenn Sie nun also losgehen, die unterschiedlichen Händler besuchen, werden Sie den Wagen für einen Preis zu bekommen, der dem entspricht, den Sie dafür bereit sind auszugeben. Bestimmt werden Sie aber dem Händler das so nicht sagen. Und wirklich: Der dritte Händler bietet Ihnen den Wagen für 24.000,- an. Am Tag der Abholung und Bezahlung sitzen Sie also dann in einem Auto, das für Sie den Wert von € 27.000,- hat und nicht 24.000,-. Aber auch nicht €30.000,- denn das war es Ihnen ja auch nicht wert.

 Wenn dies jeden im Projekt und jedem Stakeholder so bewusst ist, werden sich Budget-Diskussionen schnell vermeiden lassen und in einem gegenseitigen Verständnis beenden lassen.