Es ist schwer einen Beitrag zum Thema Projektmanagement zu schreiben, wenn man den eigenen Erfahrungsschatz und das was man noch erzählen wollte in den meisten anderen Beiträgen wiederfindet. Deshalb habe ich mich entschieden, etwas über das Zwischenmenschliche in Projekten zu schreiben. Menschen sind die Schlüsselfiguren in Projekten. Sie sind es, die über Erfolg oder Scheitern entscheiden und sie sind – jedenfalls aus meiner Sicht – der größte unkalkulierbare Faktor in Projekten. Über Menschen im Allgemeinen und Menschen in Projekten im Besonderen würde ich daher gerne etwas beitragen.
Das Bild Team Spirit wurde auf Flickr unter der Creative Commons License von Jean-Francois Schmitz veröffentlicht
Gerade der zwischenmenschliche Bereich ist überaus komplex und vielschichtig. Je nach Herkunft und Branche bringen Projektmanager eine entsprechende Neigung mit, die sie in verschiedensten Disziplinen des Projektmanagements gut sein lässt. Selten genug ist es das Verständnis für das Team, dessen Leitung und Führung ihm für die Projektdauer obliegt. Und oft fehlt auch das grundlegende Verständnis für Gruppen und Gruppendynamiken, ohne das sich ein Team nicht dazu bewegen lässt das zu tun, was gerade wichtig ist. Dem Projektmanager fehlt in der Regel auch die disziplinarische Verantwortung und damit die Befugnis und Macht Dinge durchsetzen, was allerdings kein Nachteil sein muss. Manchmal ist es besser Menschen von Dingen zu überzeugen, anstatt sie zu etwas zu zwingen oder zu überreden. Jeder arbeitet besser an einer Sache, wenn er sich mit dem Ziel identifizieren kann.
Teamleiter
Es gibt Menschen, die ein besonderes intuitives Händchen für Führung haben. Sei es durch Erfahrung oder durch entsprechendes Talent auf diesem Gebiet. Dennoch kann auch ein erfahrener und talentierte Teamleiter Fehler machen und unter Druck geraten, gerade wenn er in kniffeligen Situationen ins Schlingern gerät und nach dem Trial and Error Prinzip verfährt.
Wer ein Problem hat, holt sich gerne Tipps. Oft sind diese Tipps von außen so eine Sache. Teamleiter haben Beziehungen zu ihren Teammitgliedern. Diese Beziehungen sind oft sehr konkret und unterschiedlich im Grad der Bindung. Dann kommt hinzu, dass jede Beziehung zwischen Individuen stattfindet und somit wie die Individuen selbst einzigartig ist. Wie viel ist ein Tipp eines Kollegen oder Freundes also wert, wenn sich Beziehungen nicht unmittelbar vergleichen lassen? Der erfahrene und talentierte Teamleiter benötigt also noch ein hohes Maß an Vermögen einen Transfer zu seiner akuten Problemstellung zu leisten. Jeder befindet sich mit seiner individuellen Sicht in seiner individuellen Wahrheit wieder, dass heißt, Hinweise in der Handlung im zwischenmenschlichen sind nicht universell und hinzu kommt die Chemie zwischen Menschen, die Handlungsempfehlungen zusätzlich erschweren.
Teams
Teams und Teammitglieder haben unterschiedliche Interessen. Teammitglieder kommen mit individuellen Interessen und Motivationen ins Team. Ein externes Projektmitglied, das stundenweise über einen Dienstvertrag gebunden, hat eventuell das Interesse möglichst viele Stunden zu leisten und wird bei unternehmensinternen Projektmitgliedern vielleicht als Streber wahrgenommen, während ihn der Teamleiter als wertvollen Mitarbeiter wahrnimmt. Unternehmensinterne Kollegen möchten in der Zusammenarbeit ebenfalls als kompetent und fleißig wahrgenommen werden, haben in der Realität oft noch Tagesgeschäft neben ihren Projektaufgaben zu erledigen. Ein dritter möchte für sein Wissen anerkannt sein und wird von allen, als Besserwisser wahrgenommen, obwohl sein Wissen tatsächlich eine Bereicherung ist, aber sein Vermögen es anzubringen ungeschickt ist. Und so kommen verschiedenste Charaktere mit individuellen Interessen, die nicht ausschließlich professioneller Natur sein müssen, in einem Team zusammen.
Das Tuckman Phasenmodell
In einem Training zu agilen Methoden, wurde ich das erste Mal mit dem Tuckman Phasenmodell konfrontiert. Es wurde in relativ übersichtlicher Zeit erklärt, dass es folgende Phasen der Gruppenbildung gibt: Forming (Gründungsphase), Storming (Streitphase), Norming (Vertragsphase) und Performing (Arbeitsphase), die sich nach einem Reforming (Orientierungsphase) beim Storming wiederholen.
Der Trainer gab den Tipp gerade die Storming Phase zu befeuern, um möglichst schnell ins Norming und Performing zu kommen. Die Phasen, insbesondere das Storming, sollen unter kleinstmöglichem Einfluss des Teamleiters ablaufen. Er erzählte, dass sogar Teammitglieder aus seinem Einflussbereich als Teamleiter hin und wieder so weit waren, dass sie weinend den Projektraum verließen. Er deklarierte dies als förderliche Situation. Denn nur wenn Konflikte ausgetragen würden, sei man hinterher in der Lage zu Norming und Performing. Das Ziel dieser ganzen Aktion sollte ein selbstbestimmtes Team sein. Heute stelle ich mir ernsthaft die Frage, ob dieser Tipp in zahlreichen Seminaren nicht mehr Schaden angerichtet, als Nutzen gestiftet hat. Zu guter Letzt erhielten die Teilnehmer noch die Empfehlung der Lektüre „Dynamik in Gruppen“ von Eberhard Stahl.
Das Tuckman Phasenmodell ist sehr hilfreich insbesondere wenn man „Dynamik in Gruppen“ gelesen hat. Allerdings weiss ich heute auch, dass eine kurzer Snapshot eines Seminar-Referenten mehr zerstören als helfen kann. Die Teilnehmer waren im Glauben gelassen, dass dieser Ausflug einer einzigen Person in die Welt seiner Projekte repräsentativ für den Inhalt des Buchs sei.
Ich bin absolut der Meinung, dass Konflikte ausgetragen werden müssen, aber dass dies immer kontrolliert passieren sollte. Man darf die Teammitglieder sich nicht selbst überlassen. Gruppen sind fragile Gebilde, die insbesondere in Projekten temporär zusammengestellt werden und sich als Team formieren müssen. Sind die Personen über die Projektlaufzeit hinweg aufeinander angewiesen, muss man für einen Ton sorgen, der es ermöglicht, dass diese Personen über den Zeitraum des Projektes hinweg miteinander arbeiten können. Sind persönliche Beziehungen erst einmal nachhaltig gestört, wird eine vertrauensvolle leidenschaftliche performante Zusammenarbeit nicht mehr möglich sein. Teams brauchen einen guten Moderator und dies ist die Aufgabe des Teamleiters. Er benötigt entsprechende Ausbildung und Erfahrungen.
Fähigkeiten
Leider dominieren im Projektmanagementwissen die Methoden der Projektorganisation und -abwicklung. All diese Methoden bleiben allerdings ohne Wert, wenn die Menschen unberücksichtigt bleiben. Ein guter Projektmanager ist also immer auch ein guter Leader, der eine entsprechende Ausbildung zum Leadership benötigt. Wer Menschen und Gruppen verstehen möchte, muss grundlegend wissen wie sie funktionieren. Er muss diese Fähigkeiten schulen.
Tipps von vermeintlichen Experten für Teambildung sollten immer mit einer guten Portion Bauchgefühl in Frage gestellt werden. Wer gute Hilfestellungen in Anspruch nimmt, kann ohne großen Unfälle seine Erfahrungen machen und sein Bauchgefühl schulen. Ich saß schon damals in diesem Seminar und fühlte mich bei die voran genannten Schilderungen des Referenten unwohl. Zurecht, wie ich heute weiss.