Einen kleinen Überblick über den Begriff "Politik" bietet Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Politik

Worum geht es? 

Politik ist die Frage nach der Macht oder Herrschaft. Wer übt Macht/Herrschaft aus? Und warum? Was für die Gesellschaft gilt, dass gilt auch für Unternehmen und Projekte. Sprich: wer kann seine Interessen durchsetzen und warum? Wie ist diese Macht verteilt und wie wird sie legitimiert? Wie wird sie genutzt? Wie beeinflusst sie Entscheidungen?
Ziel der Session war einen kleine und kurzen Überblick über die Möglichkeiten sozialwissenschaftlicher bzw. politikwissenschaftlicher Denkweisen und Theorien zu geben und zu zeigen, wie diese in Unternehmen und Projekten angewandt werden können. Den soziale Gebilde gleich welcher Art, sind immer auch politische Gebilde.

Ein paar Begriffsdefinitionen

Macht und Herrschaft - Definition nach Max Weber

"Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel, worauf diese Chance beruht."
Herrschaft soll heißen die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden.“

Dimensionen des Poltikbegriffs

  • Policy - normative, inhaltliche Dimension
  • Politics - prozessuale Dimension
  • Politiy - formale, institutionelle Dimension

Föderalismus vs. Unitarismus ungleich Zentralismus vs. Dezentralismus (nach Arend Lijphart) - zwei verschiedene Dimensionen

  • Föderalismus/Unitarismus -> strategische Ebene 
    • Föderalismus: USA, D, CH, A --> strategische Entscheidungen werden auf verschiedenen Ebenen getroffen
    • Unitarismus: Frankreich, UK (bis 1991) --> strategische Entscheidungen erfolgen an zentraler Stelle
  • Zentralimus/Dezentralismus -> operativen Ebene
    • Zentralismus: F, A --> operative Umsetzung wird zentral gelenkt
    • Dezentralismus: USA, UK --> operative Umsetzung erfolgt "dezentral" in verschiedenen Einheiten vor Ort
  • zentralistischer Föderalismus: A
  • dezentraler Unitarismus: UK
  • dezentraler Föderalismus: CH
  • zentralistischer Unitarismus: F

Formell/Informell

Macht-/Herrschaftsstrukturen sind formell und informell.


Formell = verschriftliches Regelwerk z. B. Vorschriften, Leitlinien, Grundsätze, Prozessdefintionen, Ablauforganisation --> bewussten und geplanten Handeln
Informell = nichtverschriftliche Regeln, die sich aus der historisch gewachsenen Kultur -->  Ergebnis ungeplanten menschlichen Verhaltens
Formelle Strukturen sind leicht zu erfassen und greifbar, schwieriger wird es bei den informellen Strukturen.

Davon abzugrenzen ist der Begriff normativ (das Gegenstück lautet empirisch). Diese bezieht sich auf die Wertordnung (Wie es sein sollte). Das Gegenstück hierzu ist der Begriff empirisch. Dieser bezieht sich auf das tatsächlich Beobachtbare (Wie es tatsächlich ist).

Bsp. Neoinstitutionelle Theorien 

Rational Choice


  • Grundannahmen: rationalen Entscheidung, vollständige Transparenz der Rahmenbedingungen
  • Konzentration auf formale Prozesse.
  • Anwendungsbeispiel: Politikverflechtungsfalle nach Fritz Scharpf am Beispiel der Gemeinschaftsaufgabe Regionale Wirtschaftentwicklung

Organisationssoziologie 

  • Grundannahme: begrenzte Rationalität der Akteure; Entscheidungen sind stark vom Zufall abhängig
  • Einbeziehung der informellen Prozesse
  • Anwendungsbeispiel: Mülleimer-Modell nach Michael CohenJames G. March und Johan P. Olsen

Historische Pfadabhängigkeit

  • Grundannahme: begrenzte Rationalität der Akteure. Zur Risikominimierung hangeln sich diese entlang eines historischen Entwicklungspfade
  • Einbeziehung der informellen und formellen Regel

Beispiel Kommunalverwaltung Baden-Württemberg

Die Gemeindeordnung (Bsp. Baden-Württemberg) definiert zwei "Hauptorgane" der Kommunalverwaltung. Den Bürgermeister (Verwaltungsleiter und Vorsitzender des Gemeinderats) und den Gemeinderat (die bürgerschaftliche Vertretung). Beide verfügen über eigene Legitimationsstränge (direkte Wahl des Bürgermeisters - er ist damit vom Rat unabhängig) und der Gemeinderat (von der Bürgerschaft gewählt). Der Bürgermeister ist damit formal unabhängig von einer "Ratsmehrheit" und kann sich diese nach Bedarf zusammensuchen. Anders in einem reinen repräsentativen Modell, in dem der Rat den Bürgermeister wählt. Hier besteht ein Abhängigkeitsverhältnis. Darüber hinaus wirken kulturelle Unterschiede ein. In Baden-Württemberg dominiert eine tradierte Vorstellung einer sachorientierten Kommunalpolitik, in der parteipolitische Interessen von untergeordneter Rolle sind. Dies wird auch durch das personalisierte Wahlrecht in BaWü (Kumulieren und Panaschieren) verstärkt. Häufig daher zu beobachten: Dominanz von parteilosen Bürgermeistern bzw. konträre Parteizugehörigkeit zwischen Bürgermeister und Ratsmehrheit, ohne dass die Handlungsfähigkeit eingeschränkt wäre. Hier greifen informelle und formelle Regeln ineinander. 

Übertragen auf Unternehmen/Projekte


Die Frage nach Herrschafts- und Machtstrukturen kann dabei helfen, zu verstehen wie Entscheidungen - in Unternehmen und Projekten - getroffen werden. Wichtig dabei ist die Frage danach, wer hat ein Interesse an einer Entscheidung, welchen Einfluss hat diese(r) Personen(kreis) und inwieweit wirken formelle und informelle Einflüsse darauf ein. Die formellen Entscheidungsstrukuren können von erheblich Einfluss sein, dennoch sind die informellen Faktoren nicht minder bedeutend. Zentrale Frage ist daher, welche informellen und formellen Strukturen gibt es? Wie wirken sich diese aus? Welche Abhängigkeiten gibt es? Wie sieht die Interessenkonstellation aller Beteiligten aus.