Statistisch betrachtet sind 10 bis 15% der Beteiligten bei der Einführung von Scrum unzufrieden und kommen zu dem Ergebnis, daß Scrum nichts taugt. Das ist kein schlechter Schnitt für den Aufwand, dem man investieren muß bis ein Team agil geworden ist.
Da Scrum viele Probleme sehr schnell transparent macht, lassen sich zwei Aspekte aus diesem Widerstand ableiten: Das Team-Mitglied hat nie wirklich ins Team gepaßt, was bisher eher unentdeckt blieb, oder es handelt sich um die Angst vor Kontrollverlust eines wichtigen Know-How-Trägers. Beide Personengruppen lassen sich aus agiler Sicht zunächst als Störung einordnen. Kritisch wird es erst dann, wenn diese Personen konkret gegen Scrum vorgehen.
Für die erste Gruppe besteht kaum eine Chance längerfristig im Team bleiben zu können. Meist handelt es sich um Eigenbrödler, die in Ruhe und Abgeschiedenheit agieren wollen. Team-Kommunikation ist für diese Personen ein lästiges Übel. Wer derartig teamunfähig ist, und seine Einstellung auch nicht gewillt ist zu ändern, wird irgendwann das Team verlassen (müssen). Man kann zwar versuchen als Scrum Master eine Integration anzustreben, aber der Gruppendruck durch das Team reicht meist nicht aus. Es kostet auch sehr viel Energie, die an anderer Stelle besser investiert ist. Hier kann nur der Weg zum Management führen, mit der Empfehlung für Ersatz zu sorgen.
Bei der zweiten Gruppe handelt es sich um wichtige Personen, deren Expertise weiterhin notwendig ist für das Projekt. Hier sollte jedes Mittel recht sein, um diese Personen zu halten. Der Verlust für das Projekt kann beträchtlich sein, wenn diese Know-How-Träger das Projekt verlassen.
Hauptproblem bei dieser Personengruppe ist der gefühlte Verlust von Einfluß, der meist über längere Zeit gewachsen ist. Besonders schlimm ist dieses Gefühl, wenn vom Command-und-Control-Modus auf Coaching gewechselt werden muß. Man hat plötzlich nichts mehr zu sagen, aber das Bewußtsein, man wisse es "besser als die anderen", bleibt. Ob dies der Realität entspricht sei mal dahingestellt. Dies kann durchaus auch mit nicht gelebtem Vertrauen zu tun haben oder dem Horten von Wissen, also der fehlenden Bereitschaft dieses zu teilen, um die eigene Position zu behaupten. Jedenfalls ist diese gelebte Praxis extrem schwer zu überwinden.
Es ist eine gute Idee, wenn der Scrum Master versucht solchen Personen soviel Einflußmöglichkeit im neuen agilen Prozess zu geben, wie nur möglich. Eine Art erweiterte Product Owner Rolle bietet sich hier an. Selbst für einen Hardcore-Tekkie, etwa einem Architekten, kann es sinnvoll sein, diese Rolle mit zu besetzen. Die Rolle wird dann sicher nur bedingt fachlich von ihm ausgefüllt, aber das gewonne Mitspracherecht erlaubt es ihm, Einfluß zu nehmen, damit das Projekt gefühlt nicht "im Chaos endet".
Natürlich müssen sich solche Personen dem Prozess letztendlich unterwerfen, sonst funktioniert der Umbau auf agile Strukturen nicht. Aber die Transformation der bisherigen Rolle verläuft sanfter. Und bis auf den Verlust etwa des Command-und-Control-Anteils bleiben die übrigen Einflußmöglichkeiten erhalten. Darauf sollte der Scrum Master immer wieder hinweisen, wenn Zweifel laut werden. Es sollte keinesfalls das Ziel sein, die Anteile der ehemaligen Rolle aufzugeben, da das damit verbundene Know-How wertvoll für das Projektergebnis ist. Auch agile Teams brauchen Experten-Coaching und sinnvolle Vorgaben für die Entwicklung um ein brauchbares Ergebnis liefern zu können.
Was macht man nun, wenn einzelne Mitglieder dieser Personengruppe sich schwer tun mit der Umstellung auf agil? Vor allem, wenn sie sich bewußt verweigern an dem neuen Prozess teilzunehmen oder politisch dageben opponieren. Nun, vorausgesetzt das Management steht hinter der Implementierung von Scrum, sollte, sobald erste Anzeichen für ein solches Verhalten existieren, das Management darüber informiert werden. Es ist zu erwarten, daß das Management geeigneten Druck ausübt, um den Widerstand in die richtigen Verhaltensweisen zu lenken.
Parallel muß der Scrum Master verstärkt Überzeugungsarbeit leisten. Die angestrebte Rollenänderung dient allen, auch wenn dies für die betroffene Person erst mal schwer erkennbar ist. Einbeziehen in Entscheidungen und transparente Kommunikation können helfen. Wenn man Glück hat erledigt die Gruppendynamik den Rest.
Ansonsten bleibt nur die Empfehlung an das Management, über einen Ersatz nachzudenken. Aber diesen Worst-Case sollte man mit allen Mitteln versuchen zu verhindern.