Initiator: Bernhard Schloß
Ausgangspunkt
Ausgangspunkt für die Session waren 3 Aspekte, die den Initiator zu der Hypothese verleiteten, dass wir (falsche) Selbstverständlichkeiten im Projektmanagement haben, den wir uns stellen und die wir überwinden müssen.
(1) Stakeholder
Erster Anstoß zu dieser Hypothese war ein abgelehntes Buchkonzept zum Thema Stakeholder, weil der Verleger "keinen Need" sah und einigen Folgediskussionen.
De facto gibt es kaum Literatur zum Thema, der Begriff selbst ist aber nahezu "Tagesschau-tauglich" wenn es um Großprojekte wie BER oder Stuttgart 21 geht, aber wie sieht es in "normalen" Projekten aus?
Das Thema ist womöglich so selbstverständlich, dass es dann doch wieder unter den Tisch fliegt.
(2) Cherrypicking / falsch verstandenes (hybrides) Projektmanagement
Mitunter findet man als Handlungsempfehlung für ein hybrides Projektmanagement, sich doch des besten aus beiden Welten (agil und traditionell) zu bedienen. Unreflektiertes Cherry Picking ist aber gefährlich, wenn nicht die kontextspezifischen Umstände und die Rahmenparameter der eingesetzen Methoden berücksichtigt werden.
(3) Das agile Manifest als Reaktion auf falsche Selbstverständlichkeiten
Die Rückbesinnung des agilen Manifests auf eine Priorisierung, dass die Themen auf der linken Seite (noch) wichtiger sind als die Themen auf der rechten kann man als Reaktion darauf interpretieren, dass dies in einem zunehmend technokratischem Projektmanagement immer mehr vernachlässigt und vergessen wurde - also eine Reaktion auf falsche Selbstverständlichkeiten.
Umgekehrt kann auch eine blinde Fixierung auf die linke Seite schon wieder neue falsche Selbstverständlichkeiten produzieren ("Wir brauchen keine Doku, wir sind agil.").
Gibt es also "richtige" und "falsche" Selbstverständlichkeiten?
Allein das Beispiel der kognitiven Dissonanz, also unsere Wahrnehmungsverzerrungen lässt uns demütig werden und erklärt, wie es zu solchen (falschen) Selbstverstädlichkeiten kommen kann.
Der Initiator führte hierfür das Bild der Cognitive Bias Codex aus der Wikipedia an:
Sammlung und Diskussion
In der Session wurden Beispiele für (falsche) Selbstverständlichkeiten gesammelt.
Hier das Ergebnis als Fotoprotokoll:
Empirie
Vor und nach der Diskussion stellte der Initiator empirische Auswertungen vor. Er wies explizit darauf hin, dass diese nicht wissenschaftlichen Ansprüchen genügen, sondern aus seiner eigenen Perspektive als Trainer stammen.
Ausgewertet wurden die Nachfrage und Likes der Projektmanagement Videotrainings von Bernhard Schloß, Christian Botta und Daniel Reinold auf LinkedIn Learning:
Der nicht Projektmanagement-spezifische und viel beworbene Kurs zur Business Visualisierung diente lediglich der Referenz. Die meisten Kurse entstammen einem 12-teiligen Lernpfad "Ihr Weg zum Projektmanager", der mittlerweile um spezifische Einzeltrainings ergänzt wurde. Jeder Kurs hat etwa die Dauer von einer Stunde. Machart und Qualität der einzelen Kurse ist durchaus vergleichbar, weshalb unterstellt wurde, dass Nachfrage/Beliebtheit die Präferenzen der Trainingsteilnehmer wiederspiegeln.
Extremer Ausreißer ist das Agile Projektmanagement als "Hype"-Thema, gefolgt von dem ersten Kurs des Lernpfads "PM Einführung". Typischerweise nimmt die Aufmerksamkeitspanne für die weitern Kurse des Lehrpfds deutlich ab - Stichwort Durchhaltevermögen. Interessant ist aber die Nachfrage nach einzelnen Themen (von der die Likes nur geringfügig abweichen). Von den Werkzeugen und Hilfsmitteln hatten sich einige Zuschaue wohl die "Top 3 Projektmanagement-Tools zur Weltrettung" erhofft - einfache Wahrheiten die nicht bedient wurden, was die unterdurschnittlichen Likes erklärt.
Das Stakeholdermanagement, das schließlich den Ausgansgpunkt der Betrachtung darstellte dümpelt in der Tat am unteren Ende. Etwas überraschend positiver Ausreißer ist das Thema Qualität, möglicherweise mangels praktischer Alternativen (das zeigen zumindest einige Feedbacks).
Projiziert man die 6 am wenigsten nachgefragten Themen auf den openPM-Canvas, der für sich beansprucht die essentiellen Themen des Projektmanagments rudimentär abzubilden, so zeigt sich ein nachdenklich machendes Bild:
Finden diese Themen in der Tat nur unverhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit.
Im nächsten Schritt recherchierte Bernhard Schloß die Häufigkeit von Publikationen im Projektmagazin zu diesen Kursthemen, wobei die Kurstitel in entsprechende Indexeinträge des Projektmagazins übersetzt werden mussten. Der Referenzkurs findet sich in dieser Logik verständlicherweise ebenso wenig wie das agile Projektmanagement oder die PM-Einführung, weil diese im Index des Projektmagazins auf andere Themen heruntergebrochen werden. Das Thema Stakeholdermanagement findet sich vermutlich in den Themen Kommunikation & Projektumfeld und Krisen & Erfolg verstecken sich im Risiko:
Den höchsten "Mitteilungsdrang" haben die Autoren zum Thema Team, Führung, Zusammenarbeit, gefolgt von der Kommunikation - also vergleichsweise weichen Management Themen. Bereits an dritter Stelle versucht man wohl dem Wunsch der Leser nach perfekten Werkzeugen und Tools zu bedienen. (Aber Achtung, man bedenke nur die Binsenweisheit: "A fool with a tool is still a fool.")
Auch diese Auswertung lässt sich wieder auf den openPM-Canvas projizieren und zeigt andere Selbstverständlichkeiten als die Nachfrage:
Interessant hierbei die Frage nach den blinden (weißen) Flecken.
Ist Stakeholdermanagement einer dieser (falschen) und womöglich unterschätzten Selbstverständlichkeiten?
Sollten wir diesen blinden Flecken vielleicht mehr Aufmerksamkeit schenken?
Attachments:
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