Stellt euch vor: Das Projekt steckt in einer schweren Krise. Der Termin ist mehr als gefährdet, das Budget jetzt schon überzogen, die Stakeholder auf den den Barrikaden. Man hat sich entschlossen, den Projektleiter zu wechseln und nun sollt ihr das Projekt übernehmen. Und zwar schnell. Was macht ihr? Worauf legt ihr euer Augenmerk? Wie nutzt ihr die wenige Zeit die euch bleibt?
Krisenerkennung/Krisendiagnose
Ziel: Erfassen der Krisensituation
- Welche Krisensymptome gibt es?
- Handelt es sich um eine Unternehmenskrise, eine Projektkrise oder persönliche Krise?
- Handelt es sich um eine Überlebenskrise? Ist das Überleben des Unternehmens oder des Projektes gefährdet?
- Handelt es sich um eine Steuerungskrise? Bestehen die Probleme auf der Ebene Führungsstruktur, -instrumente oder -kultur?
- Handelt es sich um eine Veränderungskrise? Ist ein Change Management erforderlich?
- Gibt es eine definierte Krisenorganisation/definierte Kommunikationswege?
- Bestehen Notfallpläne oder wurden im Risikomanagement bereits Maßnahmen definiert/initiiert?
- ...
Linderung der Symptomatik, Absicherung und Erstmaßnahmen
- Absicherung/Eigenschutz: Sofern Gefahr für Leib und Leben besteht, haben Absicherung und Eigenschutz höchste Priorität
- Notruf:
- Wer ist zu informieren?
- Was ist passiert?
- Wer ist betroffen/verletzte/bedroht?
- Sofortmaßnahmen
- Weitere "Erste Hilfe"
Ergebnissicherung & Ist-Stand
- Bereits erreichte Teilergebnisse festhalten: z.B. Dokumente, Code, Strukturen, Ideen...
- Auswirkungen eines zeitweisen Projektstops prüfen: insbesondere Verträge mit Externen, Ressourcenverfügbarkeit im Team.
- Wo steht das Projekt jetzt?
- Welche Verpflichtungen wurden bereits eingegangen?
Hilfe/Experten einbeziehen, Ansätze der Problembewältigung/Lösung
Es ist sowohl legitim als auch zielführend Hilfe und Expertise in Krisensituationen in Anspruch zu nehmen. Nicht zu vernachlässigen ist auch, dass Krisensituationen auch eine starke emotionale Komponente haben. Krisensituationen sind für alle Beteiligten belastend, bedeuten Stress und können auch für den einzelnen bedrohlich werden.
Krisenkommunikation
Projektreview
Das Projektreview wird Ressourcen & Geld kosten - vorher ist zu klären, dass dafür Budget bereitgestellt wird.
- Dieses dient der Fehleranalyse. Sinnvollerweise wird es von bisher nicht Beteiligten durchgeführt.
- Wer ist davon betroffen?
- Sind andere Projekte hiervon abhängig, oder lösen sich jetzt in anderen Projekten Abhängigkeiten auf?
- Wer ist zu informieren?
Projektneustart
- Insbesondere in der Anfangsphase des neuen Projektes müssen jetzt die Ergebnisse des Projektreviews berücksichtigt werden. Dazu kann z.B. dasselbe Review (Methodik & Team) auf die erste Phase erneut angewandt werden, um sicherzustellen, dass sich ähnliche Fehler nicht erneut wiederholen.
- Jetzt gilt die Checkliste Projektstart! Sicherlich ist diese ein guter Startpunkt, um eine Projekt in einer Krise zu übernehmen. Aber sicherlich ist sie auch viel zu umfangreich.
Scope-Anpassung
Reorganisation
Krisenvermeidung/-minderung
- Bildung strategischer Allianzen
- Schaffung von Ausweichmöglichkeiten
- Szenariotechnik
- Frühwarnsysteme, Risikomanagement
- Lieferanten- und Kundenbewertungen
- Krisen- und Notfallmanagementsystem
- Ausbildung eines Krisenstabs
- Durchführung von Krisenstabsübungen
- Etablierung der Kommunikationsstrategie für Krisenfälle
Comments:
Boeffi: Deinem letzten Kommentar auf Finger weg von Scrum! nach zu urteilen, könntest Du für diese Checkliste bestimmt wertvolle Beiträge aus dem Ärmel schütteln (Stichwort: Firefighting)
Posted by mraitner at 11. Mai 2012 10:15
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Unabhängig von einer konkreten Checkliste und einer dauerhaften Erfolgssicherung: aus meiner Erfahrung ist es wichtig, ein schnelles aber sinnvolles Erfolgserlebnis z.B. in Form eines Prototypen, Software-Releases, Zwischenberichtes etc., das auch kommuniziert werden kann, herbeizuführen. Hieraus kann einerseits das Team einen Erfolg verbuchen, und kann gegenüber nicht-Team-Mitgliedern eine Existenzberechtigung und Funktionsfähigkeit nachweisen. Andererseits distanziert sich die Projektführung von der Krise der Vorgängermannschaft in Form eines echten Ergebnisses. Wichtig dabei ist, dass es sich um einen ungeschönten, konkreten und echten Erfolg handelt, nicht um ein neues Potemkinsches Dorf.
Posted by rweissgraeber at 12. Mai 2012 13:53
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Projekt stoppen, neu planen, alle Rahmenparameter neu setzen und mit dem Kunden einen neuen Termin vereinbaren. Alles andere verlängert nur das leiden auf beiden Seiten (meist auf lange Sicht).
Posted by rainwebs at 12. Mai 2012 18:12
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Die Checkliste in ihrem heutigen Stand greift mir ein bisschen zu kurz. Wenn wir eine Analogie zu einem Verkehrsunfall ziehen, dann sind wir mit den bisherigen Vorschlägen bei der Behandlung und Therapie eines Verletzten in einer Fachabteilung im Krankenhaus. Es fehlt das Erkennen der Krise, die "Rettungskette" von der Sicherung der Unfallstelle, mit allem was folgt bis hin zur Einlieferung des Patienten ins Krankenhaus und Behandlug in der Notaufnahme. Erst dann kommt die Verlegung zu einer entsprechenden Fachstation. Hilfreich könnte hier ein Blick auf psychologische Handlungsmodelle zur Krisenintervention sein Es fehlen auch die Themen Krisenkommunikation und Krisenvermeidung/-verminderung. Also... frisch ans Werk!
Posted by bschloss at 17. Mai 2012 20:34
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Erste Überarbeitung/Erweiterung ist erfolgt.
Posted by bschloss at 17. Mai 2012 21:08
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Ja, sehr gut, eigentlich müssten wir noch eine Checkliste "Projektstatus - prüfen ob ein Projekt in der Krise ist" haben, um einen definierten Eingangsstatus zu bekommen. (und eine Definition für Krise)
Posted by rweissgraeber at 18. Mai 2012 15:04
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