Resilienz folgt der Effizienz
Gedanken(splitter) zum Projektmanagement anlässlich des PM Camp 13 in Dornbirn am 16.11.13 von Jörg Schindler2013-11-15 Oil Production NPS - WEO.pdf
- Der Rahmen
- PM handelt von unternehmensinternen Abläufen. Ein Unternehmen ist Teil der Wirtschaft, Teil der Gesellschaft, Teil des sozialen und ökologischen Metabolismus der Menschheit. Das „Innen“ und das „Außen“ gehören daher zusammen.
- Innen: Welches Rollenverständnis hat ein Unternehmen von seinen Mitarbeitern? Die Spannweite kann von austauschbarem „Kostenfaktor“ bis zu das „wesentliche Kapital“ reichen. Das Spannungsfeld von „Vertrauen“ und „Kontrolle“ bestimmt entsprechend die Ausgestaltung der betrieblichen Abläufe.
- Damit ist PM auch stark pfadabhängig. Wie hat sich ein Unternehmen organisiert, welche Qualifikation haben die Mitarbeiter? Welche Kompetenzen gibt es nach „innen“ und nach „außen“? Welche Unternehmenskultur hat sich entwickelt? All das ist gewachsen und läßt sich nur langsam ändern. Dies schränkt die möglichen aktuellen Optionen für das PM ein.
- Außen: Die Sicht auf die Außenwelt hat prägenden Einfluss auf das Rollenverständnis eines Unternehmens sowie in der Folge auf die internen Abläufe und das PM.
- Die Rolle der Produkte und die Interaktion mit der Außenwelt.
- Wie aber sieht diese Sicht aus? Reicht der Blick „nur“ auf Märkte? Welche Märkte? Absatzmärkte, aber auch Beschaffungsmärkte. Schnell verschwimmen die Grenzen und vieles wird – notwendigerweise – ausgeblendet. Business as usual (BAU) als implizite Geschäftsgrundlage.
- Was halten verschiedene gesellschaftliche Gruppierungen von den Produkten? Wird die Art und die Qualität der Produkte kontrovers diskutiert?
- Genauso wichtig sind gesetzliche und institutionelle Rahmenbedingungen. Wie geht ein Unternehmen damit um? Welchen Einfluss (über Verbände etc.) nimmt ein Unternehmen geleitet von welcher Weltsicht und welchen Werten?
- Hat das Unternehmen eine Vorstellung von einer „guten Gesellschaft“? Was folgt daraus nach innen und außen?
- Was sind die wesentlichen Voraussetzungen, auf denen das Geschäft ruht? Personeller energetischer und stofflicher Art, sowie die relativen Preise.
- Die entscheidende sich daran anschließende Frage: Wie weit trägt BAU?
Das Ende von BAU
- Nachhaltigkeit als Ziel. Was bedeutet das konkret? Die Pointe der Nachhaltigkeit ist die Nichtnachhaltigkeit. Denn: Man kann nicht wirklich wissen, was nachhaltig ist (die Natur weiß es auch nicht). Nachhaltigkeit beschreibt allenfalls eine Richtung. Aber man kann wissen, was nichtnachhaltig ist – nämlich alles, was sich auf Dauer nicht aufrecht erhalten lässt weil es die planetarischen Grenzen (Rockström) verletzt. Mit der Natur kann man nicht verhandeln („the rules of law and the laws of nature“).
- Der inflationäre Gebrauch des Begriffs der Nachhaltigkeit. Greenwashing mit Nachhaltigkeit ist inzwischen weit verbreitet (Beispiele: Nachhaltiges Wachstum, etc.). Dagegen ist ein Greenwashing von nichnachhaltigen Strukturen offensichtlich nicht möglich. Der Beliebigkeit und Unverbindlichkeit von Analysen wird ein Riegel vorgeschoben.
- Nichtnachhaltigkeit als Ausgangspunkt. Von nichtnachhaltigen Strukturen müssen wir uns verabschieden:
> Die Nutzung endlicher fossiler Energiequellen – Kohle, Erdöl, Erdgas
(Die Endlichkeit zeigt sich jetzt und nicht in unbestimmt ferner Zukunft)
> Die Nutzung der Atomkraft ist nicht beherrschbar
> Die anthropogene Klimaänderung ist schon spürbar
> Die Versiegelung, Degradation und Vergiftung der Böden
> Das Sterben vieler Arten
> Wasser – Verschmutzung, Leerung der Aquifere, etc.
> Die fortschreitende stoffliche Entropie (Beispiel: seltene Erden in Smartphones) - Es geht nicht so weiter, weil es nicht so weiter gehen kann! Trivial aber folgenreich.
- Daher: BAU kommt „jetzt“ an den Anfang von seinem Ende.
- Konkret: Die weltweite Ölförderung hat etwa 2005 ein Plateau erreicht und ist seither nicht mehr gestiegen, trotz stark steigender Ölpreise. Mit Peak Oil (dem Höhepunkt der globalen Ölförderung) kommt die kurze Ära der reichlichen und billigen Energie an ein Ende. Sie hat begonnen in der „Großen Akzeleration“ in den 1950er Jahren mit dem zunehmend reichlicher und billiger fließenden Öl aus dem Mittleren Osten. (Der Historiker Christian Pfister hat diese Entwicklung als das „1950er Syndrom“ bezeichnet.) Die Folge war die Massenmotorisierung der industrialisierten Staaten und der Einstieg in eine Konsumgesellschaft nach amerikanischem Vorbild.
- In dieser Phase ist Energie zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte einige Jahrzehnte lang relativ immer billiger geworden. Das hat auch das mental framing geprägt: Billige und reichliche Energie wird als Voraussetzung des erfolgreichen Wirtschaftens gesehen (Energie soll reichlich und billig sein). Ausgerechnet mit Energie soll nicht gewirtschaftet werden. Der Keim der Verschwendungswirtschaft ist gelegt worden.
- Diese Phase der Großen Akzeleration hat in den entwickelten Ländern ab Mitte der 1970er Jahre ihre Dynamik verloren und ist weltweit Mitte der 2010er Jahre in den früh industrialisierten Staaten weitgehend zum Erliegen gekommen – ungeachtet der noch andauernden nachholenden Entwicklung in den großen Schwellenländern Brasilien, China und Indien, aber auch in Russland.
- Wir erleben jetzt die Folgen des Erfolgs: Weil das westliche Entwicklungsmodell so attraktiv war und sich erfolgreich verbreitet hat und weiter verbreitet, kommt es jetzt um so schneller an sein Ende.
- Die Versuche, das fossil/nukleare Zeitalter zu verlängern, sind zum Scheitern verurteilt. Auch der Hype um das „Fracking“ – die unkonventionelle Förderung von Öl und Gas in den USA – kann darüber nicht hinwegtäuschen.
- Mit Peak Oil hat der erste fossile Energieträger sein Maximum erreicht. Als erstes ist der moderne vom Öl abhängige Verkehr betroffen. Die Krisen entfalten sich bereits:
> Die wiederkehrenden Krisen der Automobilindustrie seit 2005
> Die Krisen der Schifffahrt im Containerverkehr
- notleidende Finanzierung der Schiffe
- slow steaming zur Energieeinsparung als Reaktion auf knappes und teures Bunkeröl
> Die wirtschaftlichen Probleme der Airlines und die Flucht in die „Fusionitis“
> Der Rückgang der Luftfracht - Das Ende von BAU manifestiert sich darüber hinaus in multiplen Krisen:
> Der Klimawandel ändert die Lebensbedingungen bereits in vielen Regionen der Erde.
> Landgrabbing (Landraub als Begriff jetzt auch im Deutschen gebräuchlich) als
Krisensymptom in der ersten Dekade dieses Jahrhunderts.
> Das (reale) Wirtschaftswachstum nimmt immer mehr ab. „Innovative“ Finanzprodukte
sollen stattdessen für Wachstum sorgen.
> Die sozialen Verwerfungen nehmen zu, und damit auch die Spaltung auch der
industrialisierten Gesellschaften in arm und reich. - Billige und reichliche Energie als Voraussetzung des Wirtschaftens: Mit Karl Valentin könnte man sagen, dass sich das jetzt als ein „falscher Irrtum“ herausstellt.
Die Große Transformation – Herausforderung und Chance
- Damit steht die Welt an einem revolutionären Wendepunkt, nämlich dem Übergang von einem fossil getriebenem und geprägtem Kapitalismus zu einer postfossilen Gesellschaft – die Große Transformation. (Das Ende des Kapitalismus, wie wir ihn kennen.)
- Zum Verständnis der Großen Transformation (GT):
> Die GT ist unvermeidlich und sie beginnt jetzt!
> Da ist nichts Voluntaristisches dabei (als hätten wir die Wahl, es auch bleiben zu lassen).
> Die Umbrüche sind so grundlegend, weil die bisherigen Grundlagen unserer Lebens- und
Wirtschaftsweise wegbrechen. Es handelt sich um eine Zäsur, einen Strukturbruch.
> Daher: Die Große Transformation!
> Die Entstehung des Begriffs der GT: von Polanyi bis WBGU 2011. - Die Große Transformation ist eine eigene Phase:
> Die GT ist ein Prozess mit eigenen Regeln und Abläufen.
> Die GT unterscheidet sich grundlegend von der Zeit zuvor, wie auch von der Zeit danach.
> Die GT ist stark geprägt von den Pfaden der Vergangenheit.
> Etwa vom physischen und mentalen Erbe der nuklearen Energienutzung.
> Das Erbe zeigt sich in den Verkehrsinfrastrukturen und weiteren Infrastrukturen.
> Das Erbe zeigt sich in den Sozialsystemen und Staatshaushalten und wie sie finanziert
werden. - Warum das Verständnis der Großen Transformation als eigene Phase wichtig ist:
> Das Verständnis einer eigenen Phase ist Voraussetzung für einen adäquaten Zugang und
Umgang mit der GT.
> Man kann daher diese Phase nicht einfach überspringen und sich nur der Frage
zuwenden: Wie wird/soll es danach aussehen? (Das heißt natürlich nicht, dass diese
Fragen nicht wichtig wären.)
> Das physische und mentale Erbe gibt die Randbedingungen vor, in denen die GT ihre
Wirkung entfaltet. Und gleichzeitig, wo und wie gestaltet werden kann und werden muss.
> Obwohl es keinen Masterplan geben kann, können und müssen die Handlungsfelder
identifiziert werden. - Ein Beispiel für das „Überspringen“ der Großen Transformation als eigene Phase:
> Die Debatte um die „Postwachstumsgesellschaft“ als Beispiel.
> Es werden Visionen für den dann erreichten Zusatnd entwickelt.
> Aber häufig wird eher nicht untersucht, wie man von hier nach da kommt.
> Diese Frage ist aber mindestens so wichtig.
> Die aktuellen wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen in Südeuropa zeigen dies
eindrücklich: Das Wachstum ist weg und es ist eben nicht plötzlich alles gut... - Warum die Große Transformation eine Gestaltungsaufgabe ist:
> Die Umbrüche erzwingen sich und lösen wirtschaftliche und soziale Verwerfungen aus.
> Die GT ist nicht vermeidbar, aber sie ist gestaltbar.
> Die Gestaltung der GT ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe!
> Ziel muss es sein, die GT sozialverträglich und gerecht zu gestalten – soweit das
irgendwie möglich ist. - Die Große Transformation ist auch eine Chance:
> Die Zukunft ist prinzipiell offen und kann in den Grenzen der planetary boundaries neu
gestaltet werden.
> Gemeinhin wird die GT mit ihrer Abkehr von fossilen Energien negativ bewertet. Der
Abschied von BAU löst Verlustängste aus. Doch BAU ist eine Sackgasse.
> Andererseits ist die GT der Beginn von etwas Neuem. Es eröffnen sich neue Chancen –
politisch, unternehmerisch, privat.
> Diese Chancen gilt es zu nutzen!
Die Aufgabe der Unternehmen in der Großen Transformation
- Es gilt, die unvermeidlich anstehende Große Transformation verträglich zu gestalten. Das ist insbesondere auch eine Aufgabe für die Unternehmen. Nach innen eine Überlebensfrage, nach außen ein Lösungsbeitrag.
- Für diese Transformation gibt es keinen Masterplan (und kann es auch keinen geben).
- Da man nicht weiß, wie die Zukunft sein wird, muss es das Ziel von Unternehmen sein, mit möglichst vielen unterschiedlichen möglichen Entwicklungen fertig zu werden (das ist auch das Prinzip der Natur).
- Was bedeutet das für das PM? Es bedeutet vor allem, dass Effizienz als leitende übergeordnete Maxime nicht mehr taugt. Effizient kann man immer nur in einem wohldefinierten Kontext sein (diesen Kontext, der bisher durch BAU gegeben war, gibt es in Zukunft nicht mehr). Vielmehr muss das Ziel die Resilienz sein, die Fähigkeit mit vielen unterschiedlichen Entwicklungen zurecht zu kommen.
- Dabei wissen wir, dass Effizienz und Resilienz gegenläufig sind...
- Aber auch Resilienz muss gemanagt werden. Nach außen durch einen kritischen Blick auf die Welt und das Erkennen von nichtnachhaltigen Voraussetzungen des eigenen Geschäfts. Nach innen durch Vielfalt der Qualifikationen, durch flexible Organisationsstrukturen und durch Selbstorganisation.
Links
ASPO Deutschland e.V.
(Association for the Study of Peak Oil and Gas) www.aspo-deutschland.org
Die Transformateure www.transformateure.de
Energy Watch Group www.energywatchgroup.org
Die aktuellen Ölszenarien der Internationalen Energie Agentur (IEA)
Siehe dazu im Annex die Datei : „2013-11-15 Oil Production NPS - WEO 2013.pdf“
Der aktuelle „World Energy Oulook 2013“ der IEA ist am 12.11.2013 erschienen.
Grafische Darstellung der Szenarien: ASPO Deutschland
Diese Szenarien wurden in Dornbirn in einer Session vorgestellt und diskutiert.
Die aktuellen Szenarien zur künftigen Verfügbarkeit von Erdöl, wie sie von ASPO gesehen werden, finden sich auf den Seiten von ASPO Deutschland und der Energy Watch Group.