Inhalt : Selbstorganisation von Systemen

Unter Selbstorganisation versteht man den Prozess, bei dem Systemteile oder -elemente derart aufeinander wirken, dass sich eine Mode einstellt, die das Verhalten der Teile oder Elemente synchronisiert und verstärkt.

Die anfänglichen Wirkungen sind Störungen und werden vom System immer unterdrückt. Erst wenn eine Wirkung einen gewissen Schwellenwert überschritten hat, bildet sich die Mode aus und »versklavt« alle Systemteile oder -elemente zum gleichen Verhalten. Selbstorganisation geschieht ohne Absicht und wird niemals von einem einzelnen Systemmitglied »durchgeführt«. Selbstorganisation ist nicht mit Selbstmanagement oder Selbststeuerung zu verwechseln. (Marcus RaitnerKönnte man die Unterschiede noch ein wenig ausführen?)

Beispiel 1: Shitstorm (Wikipedia) im Web. Ein Tweet berichtet über eine Ungerechtigkeit. Der Tweet wird mehrmals retweetet. Jemand trägt die Tatsache auf Facebook. Dort wird es mehrmals geteilt und heftig darüber diskutiert. Schliesslich entsteht eine eindeutige Meinung bei Millionen von Menschen auf der ganzen Welt, die sich mit voller Wucht über die Tatsache entrüsten. Umgekehrt kann der ursprüngliche Tweet ein-, zwei Mal retweetet und dann vergessen werden. Niemand kann mit Absicht einen Shitstorm (Wikipedia)  auslösen oder vorhersagen. Sein Entstehen hängt vom Interesse und den Gefühlen ab, die die Lektüre der Tweets und Facebook-Einträge/-Kommentare induzieren. Je verbreiteter die Entrüstung ist, desto mehr Gefühle löst sie aus und desto mehr Menschen entrüsten sich.

Beispiel 2: Bullwhipeffekt (Wikipedia) in einer Lieferkette. Eine Lieferkette besteht aus einem Hersteller, einigen Zwischenhändlern und vielen Endabnehmern, die sporadisch versuchen, ihren Bedarf zu befriedigen. Diese Marktnachfrage löst bei den Zwischenhändlern Bestellungen aus, die sie an den Hersteller schicken. Bis die bestellte Ware eintrifft, vergeht zumindest die Produktionszeit, in welcher die Marktnachfrage aber anhält. Die Zwischenhändler können nicht liefern und schicken dem Hersteller »Angstbestellungen«, mit der Konsequenz, dass die Lieferkette hohe Lagerbestände hat, die zunächst vom Markt abgebaut werden müssen, bevor das Spiel von neuem beginnt. Diese Oszillationen, die zum Hersteller hin in ihrer Stärke zunehmen, verursachen grosse Kosten, lassen sich aber prinzipiell nicht vollständig vermeiden. Niemand kann vorhersagen, wann sie wo mit welcher Intensität auftreten. Das Bestellverhalten der Zwischenhändler orientiert sich an den Oszillationen, die aber durch das Bestellverhalten überhaupt aufgetaucht sind.

Beispiel 3: Termitenhügel. Beginnt ein Termitenvolk mit dem Bau, holt jedes Individuum ein Erdkrümel, markiert ihn und legt ihn irgendwo ab, aber mit Vorliebe dort, wo es bereits eine markierte Erdkrümel riecht. Je mehr Erdkrümel beieinander sind, desto mehr Attraktivität haben sie, damit dort weitere Erdkrümel abgelegt werden. So können sich ein paar wenige Zentren bilden, aus denen später die sichtbaren Türme des Baus resultieren. Niemand kann vorhersagen, welche bestimmten Erdkrümel das sein werden.

Quellen im Internet

Peter AddorSelbstorganisation hat nichts mit Selbstmanagement zu tun!, Dezember 2010